Autor: Patrick Bayer
Lesedauer 10 Minuten
Der öffentliche Raum sollte ein Ort für alle sein – frei, zugänglich und einladend. Doch defensive Architektur stellt genau das infrage. Massnahmen wie Anti-Obdachlosen-Spikes, Bänke mit Mittelarmlehnen, unebene Flächen für Skater oder spitze Begrenzungen an Fensterbänken sind sichtbare Zeichen einer Entwicklung, die den Raum eher ausschliesst als gestaltet. Diese architektonischen Elemente sollen gezielt bestimmte Verhaltensweisen verhindern: Anti-Obdachlosen-Spikes erschweren es, in bestimmten Bereichen zu übernachten, Bänke mit Mittelarmlehnen verhindern das Hinlegen, und unebene Flächen machen es Skatern unmöglich, diese Bereiche zu nutzen. Sie tragen somit zu einer Verdrängung bestimmter Gruppen bei, ohne das zugrundeliegende soziale Problem anzugehen. Diese architektonischen Barrieren sind oft als Lösung zur Aufrechterhaltung von Ordnung gedacht, doch sie führen häufig zu einer Verdrängung der Probleme, anstatt sie zu lösen. Die eigentliche Frage bleibt unbeantwortet: Wie kann der öffentliche Raum so gestaltet werden, dass er für alle Menschen zugänglich und einladend bleibt? Wie können wir sicherstellen, dass der Raum nicht durch subtil manipulative architektonische Elemente zum Exklusivbereich wird?
Viele Städte greifen auf defensive Architektur zurück, um Verhalten zu lenken. Doch oft verschiebt das nur die Probleme: Obdachlose werden verdrängt, junge Menschen suchen andere Orte, und öffentliche Plätze verlieren ihren Charakter als Begegnungsräume. Wenn wir auf diese Massnahmen setzen, entfernen wir uns zunehmend von der ursprünglichen Idee des öffentlichen Raums. Anstatt Begegnungen zu fördern und Gemeinschaft zu stärken, schafft defensive Architektur einen Raum der Trennung und des Ausschlusses. Hier stellt sich die Frage: Handelt es sich hier noch um Gestaltung, die der Allgemeinheit dient, oder ist es bereits gezielte Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen?
Ein klassisches Beispiel: Eine Bank mit Mittelarmlehne. Sie wirkt auf den ersten Blick funktional, doch ihr Ziel ist klar – sie soll verhindern, dass jemand darauf schläft. Solche Lösungen mögen kurzfristig „Ordnung“ schaffen, doch langfristig tragen sie wenig zur sozialen Gerechtigkeit bei. Stattdessen verstärken sie das Gefühl, dass bestimmte Menschen im öffentlichen Raum nicht willkommen sind. Diese Art von Barrieren schafft mehr Probleme als sie löst, da sie soziale Ungleichheiten verstärkt und Menschen ohne sicheren Schlafplatz noch weiter an den Rand der Gesellschaft drängt.
Wenn es um Verhaltenssteuerung geht, wird oft auf Schilder gesetzt: „Skaten verboten“, „Nicht lagern“ oder Hinweise auf Videoüberwachung. Für mich greift das jedoch zu kurz. Signaletik sollte Orientierung und Zugang ermöglichen – und das für alle. Ein Beispiel hierfür könnte eine Informationsstele mit taktilen Elementen und Sprachfunktion sein, die sowohl für Sehbehinderte als auch für nichtbehinderte Menschen einfach zugänglich ist. Solche integrativen Lösungen tragen dazu bei, dass sich jeder im öffentlichen Raum zurechtfindet und willkommen fühlt. Statt Regeln aufzuzwingen, könnte sie Raum schaffen, der von sich aus zum respektvollen Miteinander einlädt. Schilder mit Verboten und Einschränkungen tragen wenig dazu bei, eine Atmosphäre der Offenheit zu schaffen. Stattdessen sollten Orientierungssysteme darauf abzielen, die Nutzung des Raums für alle Menschen klar und einfach zu gestalten.
Stell dir zum Beispiel einen Platz vor, der durch gute Orientierung, klare Wege und ansprechende Gestaltung zum Verweilen einlädt. Eine gut platzierte Stele, taktile Elemente für Sehbehinderte oder Sitzgelegenheiten, die zur Kommunikation anregen, können weit mehr bewirken als Verbote. Es geht darum, den Raum so zu gestalten, dass er intuitiv funktioniert, dass Menschen ihn verstehen und sich willkommen fühlen. Eine inklusiv gestaltete Signaletik kann entscheidend dazu beitragen, eine Gemeinschaft zu schaffen, in der sich alle sicher und respektiert fühlen.
Orientierungselemente wie taktile Bodenbeläge, klare Wegweiser oder digitale Hilfsmittel bieten allen Nutzern Zugang. Es geht nicht nur darum, Hindernisse zu vermeiden, sondern aktiv Barrieren abzubauen, damit jeder den Raum nutzen kann.
Sitzgelegenheiten, die flexiblen Komfort bieten und soziale Interaktion fördern, schaffen eine einladende Atmosphäre. Ein bewährtes Beispiel hierfür sind die „Swing Seats“ in öffentlichen Parks, bei denen Schaukelbewegungen nicht nur eine spielerische Erfahrung bieten, sondern auch Menschen unterschiedlichen Alters miteinander ins Gespräch bringen und die Nutzung des Raumes auf kreative Weise unterstützen. Denkbare Designs könnten modulare Sitzgelegenheiten sein, die von den Nutzern selbst bewegt und angepasst werden können, um den Raum ihren Bedürfnissen entsprechend zu gestalten.
Kunstinstallationen oder spielerische Elemente können Verhalten positiv beeinflussen, ohne mit erhobenem Zeigefinger zu arbeiten. Anstatt Menschen zu sagen, was sie nicht tun sollen, können wir ihnen kreative Möglichkeiten bieten, wie sie den Raum nutzen können.
Ein gutes Beispiel ist die Gestaltung von Parkanlagen, die durch clever platzierte Signaletik und offene Designs Menschen unterschiedlichster Hintergründe zusammenbringen. Eine Parkanlage, die zum Verweilen einlädt, mit vielfältigen Sitzmöglichkeiten, taktilen Elementen und interaktiven Bereichen, kann Menschen miteinander in Kontakt bringen und die soziale Integration fördern. Hier zeigt sich: Gute Gestaltung muss nicht auf Abgrenzung setzen, sondern kann einen wesentlichen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit leisten.
Als Fachplaner für Signaletik ist es mir wichtig, dass der öffentliche Raum allen gehört – nicht nur denen, die ihn „richtig“ nutzen. Defensive Architektur verschliesst mehr Türen, als sie öffnet. Stattdessen sollten wir uns fragen: Wie schaffen wir Räume, die Orientierung und Gemeinschaft fördern, ohne zu trennen?
Signaletik kann hier ein Schlüssel sein – wenn wir sie nutzen, um nicht nur zu leiten, sondern auch zu verbinden. Zum Beispiel könnten durchdacht platzierte Wegweiser und Informationsstelen an sozialen Treffpunkten dabei helfen, Menschen miteinander in Kontakt zu bringen. Signaletik kann Begegnungen fördern, indem sie Räume schafft, die unterschiedliche Menschen zusammenführen, etwa durch Hinweisschilder, die zu gemeinschaftlich genutzten Bereichen oder interaktiven Installationen führen. Wir haben die Verantwortung, den öffentlichen Raum so zu gestalten, dass er für alle da ist, unabhängig von Herkunft, Status oder Lebenssituation. Wie gestalten wir gemeinsam eine Stadt, die für alle da ist? Wie können wir dafür sorgen, dass der öffentliche Raum ein Raum der Begegnung bleibt? Ich lade dich ein, darüber nachzudenken und gemeinsam Ideen zu entwickeln, wie wir unsere Städte wieder offen, inklusiv und einladend für alle gestalten können.
leitform - Patrick Bayer
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